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  • Klaudia

Der große Reinfall




Ich hatte so große Hoffnungen in diesen Besuch gesetzt! Hatte erwartet, endlich jemanden gefunden zu haben, der mir hilft meine Schmerzen im Bein zu lindern. Was ich erlebte, war … Lest selbst!


Da sich meine Hoffnungen auf Schmerzlinderung in meinem rechten Bein nach einer Abnahme von 15 – 20 kg nicht erfüllten und mir bisher kein Arzt weiterhelfen konnte, suchte ich in den Weiten des Internets nach einem Arzt, der meine Probleme nicht nur aus einer Perspektive betrachtete und untersuchte, sondern holistisch.


Ich stieß dabei auf einen Arzt, dessen viele Bewertungen – bis auf eine – einen ganzheitlichen Ansatz versprachen und deren Verfasser ausschließlich – bis auf eine – voll des Lobes waren. Er hatte sie alle - bis auf einen - von jahrelangen Schmerzen befreit.

Ich war begeistert! Über hundert Menschen konnten nicht irren. Das war mein Arzt!


Erfreulicherweise erhielt schon für wenige Tage nach meinem Anruf einen Termin.

Meine Rettung war in Sicht!

Bald würde ich wieder normal laufen, gehen, stehen können.


Im Zimmer meines Retters angekommen, schaute der mich kaum an und vertiefte sich während des Gesprächs in die Infobögen, die ich im Wartezimmer akribisch ausgefüllt hatte.

Schon jetzt befiel mich der Gedanke, dass es zwischen ihm und mir wohl nicht so wirklich passte. Nicht mein Typ. Aber ich wollte mich ja nicht in mein Gegenüber verlieben. Stattdessen erwartete ich nichts anderes als Heilung.


Er ließ mich aufstehen und schob mir ein Glasröhrchen in die linke Hand. Was es beinhaltete, war für mich wohl irrelevant. Er testete irgendwas kinesiologisch und schaute mir anschließend in den Mund. Aha! Amalgam-Füllungen!

Dann informierte er mich mit äußerst ernstem Gesicht über seine Diagnose: Quecksilbervergiftung. Schwermetallvergiftung.

Kein Wunder, dass es mir so schlecht ging!

Ich staunte. Wow!

Mir ging es also schlecht. Ach sooo…

Was man mit einem drei sekündigen kinesiologischem Test nicht alles herausfinden kann.


Wäre ich jemand anders gewesen, weniger medizinisch vorgebildet und weniger kritisch, wäre ich alleine schon wegen dieses ärztlichen Blickes in Ohnmacht gefallen.

Versteht mich nicht falsch! Mir hat das, was andere als „Hokuspokus“ bezeichnen schon oft weitergeholfen. Kinesiologie, TCM, Homöopathie und andere Behandlungsformen sind, wie ich finde, eine gute Ergänzung zur Schulmedizin.

Das hier ging mir allerdings zu weit.

Hier wurde mir eine wissenschaftlich nicht gesicherte Diagnose um die Ohren gehauen, die mir den Boden unter den Füßen hätte wegziehen können.

Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es vielen anderen ergangen war, die hier schon mit diesem Glasröhrchen in der Hand gestanden hatten und denen man die vermeintliche Wahrheit wie einen nassen Waschlappen ins Gesicht geklatscht hatte.

Ich hätte mir nun gedanklich die schlimmsten Horrorszenarien ausmalen können. Aber worin ich sonst so begabt bin, nämlich in der Malerei von Horrorszenarien, ließ ich lieber.

Ich war mir nie so sicher, dass das eine völlig überflüssige Anstrengung gewesen wäre.


Dieser Arzt behandelte mich danach noch mit Ultraschall-Massagen, Magneten und sonstigen Dingen. All dies ruckartige und heftige Behandeln führte allerdings nur dazu, dass sich die Muskulatur in meinem Bein noch stärker verkrampfte – wenn dies überhaupt möglich war.

Das bemerkte er aber nicht.

Er war viel zu sehr mit sich selbst und seiner Wirkung auf mich beschäftigt.

Wieder mit äußerst ernstem Gesicht und viel Wut sprach er während der Behandlung über seine Ideen zum Klimawandel und zu Corona.

Da machte ich dann ganz und gar dicht und teilte ich ihm mit, dass es nun reiche und wir für heute aufhören sollten.


Als wir einander wieder an seinem Schreibtisch gegenübersaßen, legte er mir eine Therapie ans Herz, die all die Schwermetalle, die mich vergifteten aus meinem Körper ausschwemmen würde.

Was er nicht erwähnte, war die Tatsache, dass man diese Therapie selbst zahlen muss, leidet man nicht unter einer schweren Schwermetallvergiftung. Die Nebenwirkungen dieser Therapie, die nicht von schlechten Eltern sind, blieben auch völlig unerwähnt. Natürlich kann man ihnen entgegenwirken, indem man Nahrungsergänzungsmittel schluckt, die dieser Arzt selbstredend auch vertreibt.


Wieder zu Hause las ich nochmals all die Bewertungen im Internet.

Es ging in ihnen ausschließlich um die auch mir vorgeschlagene Therapie.

Wie hatte ich das nur überlesen können?

Wahrscheinlich war die Hoffnung auf Hilfe so groß, dass ich das Wesentliche nicht sehen wollte.


Nächste Woche steht ein neuer Termin bei einem anderen Arzt an… Ihr wisst ja: die Hoffnung stirbt zuletzt!

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